In der ZEIT schreibt
Wolfgang Schäuble eine Apologie seiner Politik. Er
doziert, dass die Herrschaft des Rechts im modernen Rechtsstaat untrennbar
mit der Durchsetzung des Rechts verknüpft ist. Leider vergisst er zu
erwähnen, dass es - auch in der Domäne des Rechts! - so einfach denn auch
nicht ist. Denn die Durchsetzung von Rechtsnormen ist keine binäre
Angelegenheit. Es stellt sich eben nicht nur die Frage ob, sondern auch die Frage
wie Rechtsnormen durchgesetzt werden.
Schäuble doziert über große Theoretiker der Rechtsstaatlichkeit und mir
bleibt fast der Atem weg, wenn ausgerechnet er kurzerhand ex cathedra
erklärt, dass "manche aktuelle Diskussion in Deutschland" bei Hobbes stehen
geblieben sei. Dummdreist scheut er sich nicht en passant liberale Denker
wie Locke und Mill für seine Position einzunehmen und anschließend alle
konkreten rechtsphilosophischen Fragen, die man vielleicht erörtern sollte,
wenn man neue Rechtsquellen schaffen will, ausblendet.
Es ist schon bemerkenswert, dass jemand, der Innenminister ist, und meint dem
Leser noch etwas über "moderne Rechtsstaatlichkeit" erzählen zu können, den
Begriff der Verhältnismäßigkeit in diesem Kontext nicht
einmal erwähnt. Dabei ist eben jener Begriff aus dem Ideenkatalog moderner
Rechtsstaatsbegriffe nicht wegzudenken.
Schäuble schreibt: Das wichtigste Instrument im Kampf gegen den
Terrorismus ist intelligence
. Gerade jenes Mittel,
dass er so schön mit diesem Fremdwort zu verdecken sucht, gemeint ist
geheimdienstliche Aufklärung, ist aber eines der problematischten
Gebiete wenn man über den "modernen Rechtsstaat" nachdenkt.
Denn: von allen staatlichen Einrichtungen sind die Geheimdienste jene
die am ehesten Rechtsgüter gefährden und sich am ehesten der
rechtsstaatlichen Kontrolle entziehen.
Was Schäuble fordert (Aufhebung der Trennung von innerer und äußerer Sicherheit
und der Einsatz geheimdienstlicher Methoden zunehmend auch außerhalb der
Geheimdienste) führt eher zu einer Demontage, nicht zu einer Stärkung des
Rechtsstaates.
Der nicht gerade linksliberaler Umtriebe verdächtige
di Fabio schreibt in der Welt ganz treffend:
Man kann mit Blick auf die Extremlage den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit nicht beliebig verschieben, nach dem Motto, die
Sicherung des Landfriedens und des Lebensschutzes soll "falls möglich
mit milden Mitteln, aber zur Not-Wende auch mit härteren, geeigneten und
erforderlichen Mitteln" (Brugger) bis hin dann womöglich zu absolut
unerlaubten Mitteln erfolgen dürfen. Eine Gesellschaft sollte sich nicht
hysterisch in eine "Not-Wende-Zeit" hineinreden, in der jedes Mittel
recht scheint, um zu überleben. Wer heute so katastrophenfixiert
formuliert, könnte morgen eine solche Wirklichkeitswahrnehmung
herbeigeredet haben.
Und genau das dürfen wir nicht zulassen.
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